Monday, March 9, 2015

Geschlecht, Medien und Technik-Lernen - Reflexion zu einer Lehrveranstaltung

Mittlerweile ist die Lehrveranstaltung Geschlecht, Medien und Techniklernen an der Alpen-Adria Universität Klagenfurt abgeschlossen und jene Videos, zu denen die Zustimmung für eine Veröffentlichung gegeben wurde, sind auf unsere Vimeo-Projektseite geladen. Die Seminararbeiten sind verfasst, abgegeben, durchgelesen und benotet, und wie jedes Semester stellen sich für die Lehrende* am Ende dieselben Fragen: Wo hätte ich stärker unterstützen müssen, wo sind die Schwächen und Informationslücken, wo Möglichkeiten für eine Verbesserung des Konzepts? Es ist immer wieder überraschend, wie viel Studierende in einem Semester lernen können; nicht unbedingt Faktenwissen - darum geht es bei diesem Seminar nicht - sondern sich auf eine Aufgabe einlassen und eine Lösung zu einer Problemstellung finden, mit der die meisten noch nie zuvor konfrontiert waren. Es geht um das 'informelle Lernen' (Thaler 2009), das Lernen außerhalb eines strukturierten Rahmens. Das didaktische Konzept für das Seminar lehnt sich an jenes an, das Anita Thaler und ich schon mehrere Semester in einer anderen Lehrveranstaltung verwendet haben. Darin sind gezielt Leerstellen, in denen die Studierenden selbst einen Weg finden müssen, die Aufgabe zu erfüllen. Sie erhalten Zugang zum didaktischen Konzept, in dem auch einige Hinweise und Hilfestellungen zu finden sind, aber irgendwie scheint es für viele der Studierenden für ihre Arbeit wenig Relevanz zu haben. Im Feedback und den Lernreflexionen wird zum Beispiel immer wieder kritisiert, dass bei Präsenzterminen nie gezeigt wird, wie ein Videoschnittprogramm funktioniert. Aber eben die selbständige Erarbeitung der Verwendung ist der Lernprozess, der im Mittelpunkt des Seminars steht und die Reflexion darüber stellt das Herzstück des Leistungsnachweises dar.
Dieses Semester kam allerdings eine weitere Hürde hinzu: die kritische Betrachtung von Medienprodukten hinsichtlich der Darstellung von Geschlecht und sexuellen Normen sowie die ebenso kritische Gestaltung von Remixe. Für viele Teilnehmer*innen dieses Seminars war es die erste Lehrveranstaltung mit 'Gender'-Bezug. Wie auch bei transFAIRmation galt es, sie zunächst für das Thema zu sensibilisieren. Dies geschah mit vier Texten, von denen einer einen Überblick über Strömungen der Frauen- und Geschlechterforschung geben sollte (um zu zeigen, wie vielfältig die Zugänge in diesem Feld sind und dass es nicht DEN Feminismus gibt), ein weiterer Text stellte eine kurze Einführung in die Idee heteronormativitäts-kritischer Medienpädagogik dar (also eine Medienpädagogik, die darauf aufmerksam macht, wie Heterosexualität als Norm des Begehrens über deren Dominanz medialer Narrative geschaffen und stabilisiert wird), der dritte Text zeichnete eine Untersuchung zu einer queeren Fanproduktion dar, in der schwule Nebencharaktere einer Seifenoper durch Remix zu den Hauptcharakteren einer Online-Serie wurden. Schließlich wurde auch in diesem Seminar wieder das didaktische Konzept als Text vorgelegt, um das Ziel des Semesters transparent zu machen. In einer Silent Discussion sollten die LV-Teilnehmenden eine Unterhaltung zu den Texten führen. Dazu wurde Papier im A3-Format ausgeteilt und schriftlich wie mündlich die Instruktion durchgegangen: Während 60 Minuten sollte nur schriftlich kommuniziert werden (also nicht gesprochen, bei Unklarheiten sollte nach eigenem ermessen gehandelt werden). Im rechten oberen Eck sollte jede Person ein Symbol zeichnen, an dem sie ihr Blatt danach wieder finden würde. Es sollte kein Name darauf stehen, um auf das Geschriebene zu fokussieren und nicht die Person im Hintergrund mit zu berücksichtigen. Zunächst sollte folgende Ausgangsfrage auf das Blatt übertragen werden: Mit dem Hintergrundwissen, das Sie aus den Texten erworben haben und aus Ihrer persönlichen Interpretation der Inhalte heraus, wie würden Sie als Pädagog*innen bzw. Lehrende heteronormativitätskritische Medienbildung gestalten? Zur Unterstützung wurde auch noch eine Hilfsfrage formuliert: Was wären Ziele dieser Bildungsintervention, oder wie müssten die Lehrmethoden angelegt sein, oder mit welchem Menschenbild/Verständnis von Geschlecht und Sexualität würden Sie arbeiten? Auf diese Frage sollte dann ein Absatz als Antwort formuliert werden. Als Zeichen, dass der Absatz fertig ist, sollte der Stift abgelegt werden. Sobald alle Stifte abgelegt waren, wurden die Arbeitsblätter so lange nach links weiter gereicht, bis ein Signal ertönte. Dann sollten die Studierenden jeweils das, was sie gerade in der Hand hielten, lesen und darauf in einem weiteren Absatz antworten. Es wäre also auf den Absatz davor Bezug zu nehmen.Sobald alle ihre Antwort geschrieben hatten, wiederholte sich der Vorgang - so oft, bis am Ende der Stunde der Wecker läutete. Zum Schluss sollten alle ihr Blatt anhand des zu Beginn gemalten Symbols wiedererkennen und an sich nehmen. Abschließend sollten die Studierenden das, sich auf ihrem Blatt angesammelt hat, durchlesen und einen abschließenden Kommentar verfassen. Danach wurde im Plenum über die Übung und die Inhalte gesprochen. 
Als eine Studierende die Übung verlassen musste, ersetzte ich sie, um den Fluss aufrecht zu erhalten und sah dadurch selbst eine Schwäche der Aufgabenstellung: Es kam kein Gespräch zustande. Ein Absatz stand unter dem anderen und der Bezug zwischen den nachfolgenden auf den ersten war nicht erkennbar. Ein paar LV-Teilnehmenden beschrieben eine ähnliche Erkenntnis in ihrer Lernreflexion. In der Abschlussdiskussion zur Methode wurde die Fragestellung als zu offen kritisiert, aber auch die relativ ungenaue Angabe zur Länge des Absatzes (vorgeschlagen wurde stattdessen, eine bestimmte Anzahl von Sätzen vorzugeben). Hinsichtlich der inhaltlichen Fragestellung heißt das für die Übung, dass ein Problem formuliert werden muss, auf das die folgenden Beiträge eingehen können. Es muss eine Frage oder These für eine konkrete Problemstellung aufgeworfen werden, sonst kann die Methode nicht richtig funktionieren.
Ein Schwierigkeit, die sich vor allem in diesem Semester gezeigt hat, ist die Gruppengröße. In vorangegangenen Semestern konnte die großzügige Aufnahmepraxis über Teamteaching gut bewältigt werden, doch angesichts der Lernintensität und der Menge an Projektgruppen (14 Gruppen mit inhaltlich teilweise völlig unterschiedlichen Vorhaben) war eine Anzahl von knapp 40 Teilnehmer*innen für eine Lehrkraft alleine zu viel. Die Spekulation mit Ausfällen von Studierenden  während des Semesters erwies sich als nicht zutreffend. Das mag ein Erfolg für das Seminar sein - eine Abschlussquote von 100 % ist selten - doch konnte ich Betreuung nicht in der Intensität gestalten, wie ich es geplant hatte. Entsprechend musste ich bei den Ergebnissen der Gruppenarbeiten gewisse Schwächen in der Schärfe der Videobotschaften in Kauf nehmen. Ein paar der Videos hätten sicherlich vor der Fertigstellung nochmals detaillierteres Feedback meinerseits erfordert, um so manche unbeabsichtigte Reproduktion von Stereotypen oder missverständlichen Inhalten zu vermeiden. Hier zeigt sich aber auch die überambitionierte Zielsetzung der Lehrveranstaltung bzw. von transFAIRmation: Es werden zwei Lernfelder zusammen gebracht (queer-feministische Kritik und eigenständige Mediengestaltung), die es nach einander zu bearbeiten gilt und nicht, wie in der Lehrveranstaltung, (fast) gleichzeitig. Aufgrund der eingeschränkten Zeitressourcen wurde die gemeinsame Medienanalyse, die bei der Umsetzung in der Schule einen eigenen Schwerpunkt ausmachte, bei der Umsetzung in der Lehrveranstaltung ausgelassen. Die dadurch entstandene Lücke war in der Remixgestaltung spürbar. Teilweise fiel es den Gruppen schwer, eine Absicht hinter dem geplanten Remix zu formulieren, teilweise gelang die Umsetzung der Idee nicht so wie beabsichtigt.
Die Lehrveranstaltung war also jedenfalls für mich als intensive Lernerfahrung, trotz aller Mängel und unerfüllter Ansprüche bei diesem ersten Durchgang ist das Konzept nach weiterer Überarbeitung sicherlich brauchbar, um vielschichtiges und tiefgehendes Lernen über Technik und die Gestaltungsmacht von Medienpartizipation zu ermöglichen.

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