Mittlerweile
ist die Lehrveranstaltung Geschlecht, Medien und Techniklernen an der
Alpen-Adria Universität
Klagenfurt abgeschlossen und jene Videos, zu denen die Zustimmung für
eine Veröffentlichung gegeben wurde, sind auf unsere
Vimeo-Projektseite
geladen. Die Seminararbeiten sind verfasst, abgegeben, durchgelesen
und benotet, und wie jedes Semester stellen sich für die Lehrende*
am Ende dieselben Fragen: Wo hätte ich stärker unterstützen
müssen, wo sind die Schwächen und Informationslücken, wo
Möglichkeiten für eine Verbesserung des Konzepts? Es ist immer
wieder überraschend, wie viel Studierende in einem Semester lernen
können; nicht unbedingt Faktenwissen - darum geht es bei diesem
Seminar nicht - sondern sich auf eine Aufgabe einlassen und eine
Lösung zu einer Problemstellung finden, mit der die meisten noch nie
zuvor konfrontiert waren. Es geht um das 'informelle Lernen' (Thaler
2009), das
Lernen außerhalb eines strukturierten Rahmens. Das didaktische
Konzept für das Seminar lehnt sich an jenes an, das Anita Thaler und
ich schon mehrere Semester in einer anderen Lehrveranstaltung
verwendet haben. Darin sind gezielt Leerstellen, in denen die
Studierenden selbst einen Weg finden müssen, die Aufgabe zu
erfüllen. Sie erhalten Zugang zum didaktischen Konzept, in dem auch
einige Hinweise und Hilfestellungen zu finden sind, aber irgendwie
scheint es für viele der Studierenden für ihre Arbeit wenig
Relevanz zu haben. Im Feedback und den Lernreflexionen wird zum
Beispiel immer wieder kritisiert, dass bei Präsenzterminen nie
gezeigt wird, wie ein Videoschnittprogramm funktioniert. Aber eben
die selbständige Erarbeitung der Verwendung ist der Lernprozess, der
im Mittelpunkt des Seminars steht und die Reflexion darüber stellt
das Herzstück des Leistungsnachweises dar.
Dieses
Semester kam allerdings eine weitere Hürde hinzu: die kritische
Betrachtung von Medienprodukten hinsichtlich der Darstellung von
Geschlecht und sexuellen Normen sowie die ebenso kritische Gestaltung
von Remixe. Für viele Teilnehmer*innen dieses Seminars war es die
erste Lehrveranstaltung mit 'Gender'-Bezug. Wie auch bei
transFAIRmation galt es, sie zunächst für das Thema zu
sensibilisieren. Dies geschah mit vier Texten, von denen einer einen
Überblick über Strömungen der Frauen- und Geschlechterforschung
geben sollte (um zu zeigen, wie vielfältig die Zugänge in diesem
Feld sind und dass es nicht DEN Feminismus gibt), ein weiterer Text
stellte eine kurze Einführung in die Idee
heteronormativitäts-kritischer Medienpädagogik dar (also eine
Medienpädagogik, die darauf aufmerksam macht, wie Heterosexualität
als Norm des Begehrens über deren Dominanz medialer Narrative
geschaffen und stabilisiert wird), der dritte Text zeichnete eine
Untersuchung zu einer queeren Fanproduktion dar, in der schwule
Nebencharaktere einer Seifenoper durch Remix zu den Hauptcharakteren
einer Online-Serie wurden. Schließlich wurde auch in diesem Seminar
wieder das didaktische Konzept als Text vorgelegt, um das Ziel des
Semesters transparent zu machen. In einer Silent Discussion sollten
die LV-Teilnehmenden eine Unterhaltung zu den Texten führen. Dazu
wurde Papier im A3-Format ausgeteilt und schriftlich wie mündlich
die Instruktion durchgegangen: Während 60 Minuten sollte nur
schriftlich kommuniziert werden (also nicht gesprochen, bei
Unklarheiten sollte nach eigenem ermessen gehandelt werden). Im
rechten oberen Eck sollte jede Person ein Symbol zeichnen, an dem sie
ihr Blatt danach wieder finden würde. Es sollte kein Name darauf
stehen, um auf das Geschriebene zu fokussieren und nicht die Person
im Hintergrund mit zu berücksichtigen. Zunächst sollte folgende
Ausgangsfrage auf das Blatt übertragen werden: Mit dem
Hintergrundwissen, das Sie aus den Texten erworben haben und aus
Ihrer persönlichen Interpretation der Inhalte heraus, wie würden
Sie als Pädagog*innen bzw. Lehrende heteronormativitätskritische
Medienbildung gestalten? Zur Unterstützung wurde auch noch eine
Hilfsfrage formuliert: Was wären Ziele dieser
Bildungsintervention, oder wie müssten die Lehrmethoden angelegt
sein, oder mit welchem Menschenbild/Verständnis von Geschlecht und
Sexualität würden Sie arbeiten? Auf diese Frage sollte dann ein
Absatz als Antwort formuliert werden. Als Zeichen, dass der Absatz
fertig ist, sollte der Stift abgelegt werden. Sobald alle Stifte
abgelegt waren, wurden die Arbeitsblätter so lange nach links weiter
gereicht, bis ein Signal ertönte. Dann sollten die Studierenden
jeweils das, was sie gerade in der Hand hielten, lesen und darauf in
einem weiteren Absatz antworten. Es wäre also auf den Absatz davor
Bezug zu nehmen.Sobald alle ihre Antwort geschrieben hatten,
wiederholte sich der Vorgang - so oft, bis am Ende der Stunde der
Wecker läutete. Zum Schluss sollten alle ihr Blatt anhand des zu
Beginn gemalten Symbols wiedererkennen und an sich nehmen.
Abschließend sollten die Studierenden das, sich auf ihrem Blatt
angesammelt hat, durchlesen und einen abschließenden Kommentar
verfassen. Danach wurde im Plenum über die Übung und die Inhalte
gesprochen.
Als
eine Studierende die Übung verlassen musste, ersetzte ich sie, um
den Fluss aufrecht zu erhalten und sah dadurch selbst eine Schwäche
der Aufgabenstellung: Es kam kein Gespräch zustande. Ein Absatz
stand unter dem anderen und der Bezug zwischen den nachfolgenden auf
den ersten war nicht erkennbar. Ein paar LV-Teilnehmenden beschrieben
eine ähnliche Erkenntnis in ihrer Lernreflexion. In der
Abschlussdiskussion zur Methode wurde die Fragestellung als zu offen
kritisiert, aber auch die relativ ungenaue Angabe zur Länge des
Absatzes (vorgeschlagen wurde stattdessen, eine bestimmte Anzahl von
Sätzen vorzugeben). Hinsichtlich der inhaltlichen Fragestellung
heißt das für die Übung, dass ein Problem formuliert werden muss,
auf das die folgenden Beiträge eingehen können. Es muss eine Frage
oder These für eine konkrete Problemstellung aufgeworfen werden,
sonst kann die Methode nicht richtig funktionieren.
Ein
Schwierigkeit, die sich vor allem in diesem Semester gezeigt hat, ist
die Gruppengröße. In vorangegangenen Semestern konnte die
großzügige Aufnahmepraxis über Teamteaching gut bewältigt werden,
doch angesichts der Lernintensität und der Menge an Projektgruppen
(14 Gruppen mit inhaltlich teilweise völlig unterschiedlichen
Vorhaben) war eine Anzahl von knapp 40 Teilnehmer*innen für eine
Lehrkraft alleine zu viel. Die Spekulation mit Ausfällen von
Studierenden während des Semesters erwies sich als nicht
zutreffend. Das mag ein Erfolg für das Seminar sein - eine
Abschlussquote von 100 % ist selten - doch konnte ich Betreuung nicht
in der Intensität gestalten, wie ich es geplant hatte. Entsprechend
musste ich bei den Ergebnissen der Gruppenarbeiten gewisse Schwächen
in der Schärfe der Videobotschaften in Kauf nehmen. Ein paar der
Videos hätten sicherlich vor der Fertigstellung nochmals
detaillierteres Feedback meinerseits erfordert, um so manche
unbeabsichtigte Reproduktion von Stereotypen oder missverständlichen
Inhalten zu vermeiden. Hier zeigt sich aber auch die
überambitionierte Zielsetzung der Lehrveranstaltung bzw. von
transFAIRmation: Es werden zwei Lernfelder zusammen gebracht
(queer-feministische Kritik und eigenständige Mediengestaltung), die
es nach einander zu bearbeiten gilt und nicht, wie in der
Lehrveranstaltung, (fast) gleichzeitig. Aufgrund der eingeschränkten
Zeitressourcen wurde die gemeinsame Medienanalyse, die bei der
Umsetzung in der Schule einen eigenen Schwerpunkt ausmachte, bei der
Umsetzung in der Lehrveranstaltung ausgelassen. Die dadurch
entstandene Lücke war in der Remixgestaltung spürbar. Teilweise
fiel es den Gruppen schwer, eine Absicht hinter dem geplanten Remix
zu formulieren, teilweise gelang die Umsetzung der Idee nicht so wie
beabsichtigt.
Die
Lehrveranstaltung war also jedenfalls für mich als intensive
Lernerfahrung, trotz aller Mängel und unerfüllter Ansprüche bei
diesem ersten Durchgang ist das Konzept nach weiterer Überarbeitung
sicherlich brauchbar, um vielschichtiges und tiefgehendes Lernen über
Technik und die Gestaltungsmacht von Medienpartizipation zu
ermöglichen.
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