Wednesday, June 6, 2018

Meinungsfreiheit vs. Persönlichkeitsrechte

Satire […] tritt nicht nach unten.
Sookee (Rietzschel 2017)

Vorbemerkung: Während ich an meiner Dissertation arbeitet, ergaben sich im Frühjahr und Frühsommer 2017 einige richtungsweisende Gerichtsverfahren, die ich nicht ignorieren konnte. Ich verfasste einen Einschub mit oben genannten Titel, der im Zuge der Überarbeitungen aus der Dissertation allerdings wieder herausfiel, weil er zu weit vom Thema wegführte. Da aber in den Ausführungen einige Gedanken stecken, auf die ich mich in meiner Arbeit beziehen möchte, veröffentliche ich sie hier im Nachhinein, allerdings rückdatiert auf einen Zeitpunkt, als der Text vollständig vorlag, um ihn zeitlich in den richtigen Kontext zu setzen.

Ein Verfahren zu Falschmeldungen über die damals noch Bundessprecherin der Grünen, Eva Glawischnig, ergibt im Frühjahr 2017, dass Hasspostings, die vor dem österreichischen Recht als solche gelten, von der betreffenden Medienplattform weltweit zu löschen seien und nicht lediglich für das betreffende Land, in dem die entsprechende Gesetzgebung wirke zu sperren sei (vgl. APA 2017a). Während die EU weiterhin auf die freiwillige Löschung von rechtswidrigen Inhalten durch die Unternehmen setzt (vgl. APA 2017b), beschließt der Deutsche Bundestag diesbezüglich ein Gesetz, wobei im Zentrum der Bemühungen strengere Bestimmungen für Unternehmen im Umgang mit auf ihren Plattformen geposteten Nachrichten stehen, was im Sinne von Opferschutz als Schritt in die richtige Richtung gewertet werden kann (Falschmeldungen u. ä. müssen binnen 24 Stunden aus dem Netz genommen werden), allerdings auch als einseitig kritisiert wird. So liege beispielsweise damit die Einschätzung über Postings als strafbar, Meinungsäußerungen oder Satire bei den Plattformbetreiber*innen (vgl. APA 2017c). 

Konsequent weitergedacht legitimieren solche Entwicklungen wiederum Vorgangsweisen gegen Meinungsäußerungen und kritische Kunstformen wie Satire, auch wenn es Fernsehen oder Printmedien betrifft (die notgedrungen mit der digitalen Öffentlichkeit des Internets konvergieren). Das zeigt sich beispielsweise im Zivilrechtsstreit zwischen dem türkischen Präsidenten* Recep Tayyip Erdoğan und dem deutschen Fernsehmoderator* Jan Böhmermann infolge einer „Schmähkritik“, die Böhmermann in seiner ZDF-Satiresendung Neo Magazin Royale (2016) in Form eines Gedichts vortrug. Im Vorfeld gab es im Zuge einer diplomatischen Intervention der Erdoğan-Regierung den Versuch, ein Verbot für die Verbreitung des Liedes Erdowie, Erdowo, Erdogan der NDR-Satiresendung Extra 3 (2016) über den problematischen Umgang Erdoğans mit Journalist*innen und die Einschränkung von Meinungsäußerungen aus der Zivilgesellschaft zu erwirken (vgl. SZ.de et al. 2016). Böhmermann fand in der Affäre einen Bildungsauftrag, die Grenzen von Satire und juristisch verfolgbaren Aussagen aufzuzeigen, gab mit einem Erdoğan bewusst diffamierenden Gedicht mit rassistischen und sexuell abwertenden Aussagen ein konkretes Beispiel dafür, was selbst in Deutschland strafrechtlich relevant sein kann. Die Verbreitung des Sendungsausschnittes im Internet wurde in die Erklärung rund um das Gedicht erwähnt und bewusst einkalkuliert. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel distanzierte sich allerdings von Böhmermanns Gedicht und lies Erdoğans Klage gegen ihn in Deutschland zu (vgl. Becker 2016). Das darauf folgende Strafverfahren wurde eingestellt, auf zivilrechtlichem Weg erwirkte Erdoğan bislang, dass zumindest ein Teil des Gedichts nicht öffentlich wiederholt werden darf. Nach einer Berufung beider Parteien – Erdoğan ging es um ein völliges Verbot des Gedichts (vgl. Siemens 2017), Böhmermann sah das Gedicht aus dem Kontext gerissen und die künstlerische Freiheit angegriffen (vgl. kna, afp & dpa 2017) – ging das Verfahren in die nächste Instanz, wo das Urteil bestätigt wurde. Böhmermanns Anwalt kündigte allerdings eine Beschwerde an den Bundesgerichtshof an (vgl. Beisel 2018). 

Hier geht es im Kern zwar um einen Politiker*, der sich von einem Angriff auf seine Person mit rechtlichen Schritten gegen eine von ihm als solche wahrgenommene Beleidigung wehrt, eskalierend wirken dabei allerdings die Umstände, dass ausgerechnet Deutschland federführend in einer Vereinbarung mit der Türkei war, die Geflüchtete aus asiatischen, arabischen und afrikanischen Krisenherden von ihrem Weg nach Europa abhalten soll. Somit wurde die als Satire gemeinte und zu einem großen Teil auch so verstandene Veröffentlichung des Gedichts zu einem politischen Problem und zeigt, wie dünn der Schutz von Meinungsfreiheit sein kann, wenn diese einem größeren politischen Ziel im Weg steht. Denn Erdoğans Anwalt bezieht sich bei seiner Argumentation nicht nur auf den persönlichen Affront gegen seinen Klienten, sondern sieht das Gedicht zum einen als Attacke auf das türkische Volk und zum anderen als Fortsetzung jahrzehntelanger rassistischer Beleidigung gegenüber in Deutschland lebenden Türk*innen (vgl. Siemens 2017) und reiht Erdoğan damit nicht nur als einen von ihnen ein, sondern macht diese damit auch zu Mit-Opfern und spielt somit ein innergesellschaftliches Problem gegen die politische Affäre aus. Dabei wird das Gedicht bewusst außerhalb des Kontextes gesehen, den Böhmermann im Gespräch mit seinem Sendungspartner* Ralf Kabelka legen, in dem immer wieder darauf verwiesen wird, dass die Veröffentlichung eines derartigen Gedichts verboten sei und prognostizieren bereits in ihren Erklärungen, welche Konsequenzen darauf folgen würden, genau das, was im Anschluss tatsächlich passiert. Im Gesamtbild zeigt sich also ein Bühnenstück über die Grenzen von Satire, Kunst und Meinungsfreiheit, das Böhmermann in seiner Perfektion wahrscheinlich nicht so vorausplanen hätte können und mit dessen realer Wirkmacht er möglicherweise auch nicht gerechnet hat, obwohl er bei seinen anderen medien- und gesellschaftskritischen Aktionen ebenfalls viel Aufwand betreibt und entsprechend weitreichende Wirkung erzielt.

In der Ausführlichkeit, mit der ich diesen Fall beschreibe, möchte ich möglichst nachvollziehbar machen, wie schwierig es wird, klar zwischen als Satire zulässige, auf die Spitze getriebene Kritik und Hassbotschaften zu unterscheiden. Umgekehrt wiederum zeigt nämlich eine Spezialausgabe der ORF-Sendung „Thema“ zu „Hass im Internet“ (2017) welche Auswirkungen persönliche Attacken im Internet auf Betroffene – neben Personen des öffentlichen Lebens auch Privatpersonen – haben können. So lesen die zuvor bereits erwähnte ehemalige Bundessprecherin der Grünen, Eva Glawischnig, Journalistin und ORF-Moderatorin Ingrid Thurnher, Radiomoderatorin Elke Rock und Natascha Kampusch, Überlebende einer Entführung mit langjährigem Freiheitsentzug, Postings, die im Internet an sie gerichtet waren. Was sie verlesen, ist nur ein kleiner Ausschnitt dessen, womit sich Frauen im öffentlichen Interesse wiederholt konfrontiert sehen. Natascha Kampusch, beispielsweise, wird von „Peter“ aufgefordert, „zurück in den Keller“ zu gehen (wo sie gefangen war) und deutet in der Folge den sexuellen Missbrauch an, dem sie ausgesetzt war und den er ihr offenbar wieder wünscht (ab Min. 2:17). Eine jungen Frau, die ein Trauma von acht Jahren Gefangenschaft zu verarbeiten hat und in der Folge durch die mediale und öffentliche Aufmerksamkeit wiederholt retraumatisiert wurde, in ihr Martyrium zurück zu wünschen, ist vergleichbar mit dem, was ihr physisch angetan wurde – ein Übergriff, der bei aller wissenschaftlich erforderlichen Distanz sprachlos macht. Ingrid Thurnher und Eva Glawischnig tragen eine Mischung aus gewaltvollen, rassistischen und sexistischen Postings vor – inhaltlich ähnlich der Schmähkritik von Böhmermann, allerdings ohne einem Kontext, der diese Aussagen als Satire erkenntlich machen würden. Satire wird oftmals Schutzbehauptung von Urheber*innen von Hassbotschaften angeführt. Natascha Kampusch bringt im Interview auf den Punkt, inwieweit Hass im Netz eine Frage von Machtverhältnissen ist und damit auch eine vergeschlechtlichte Dimension hat: „Immer wieder diese Betonung auf das Sexuelle und diese Reduzierung auf ein Lustobjekt – das macht es schwierig, sich als Frau zu behaupten und sich als die emanzipierte Frau darzustellen, die man letztendlich auch ist.“ (ab Min. 15:12). 

Mit der Erkenntnis, durch Technologien, die im Alltag weit verbreitet und vergleichsweise leicht bedienbar sind, im Internet mit der eigenen Meinung ein breites Publikum zu finden, und die Tatsache, dass das Internet als Medium eine größere Distanz zu jenen erscheinen lässt, über die die Meinung geäußert wird, enthemmt. Es ist leichter, sich in Internetforen unter Gleichgesinnten Luft zu machen, als zur betreffenden Person oder Vertreter*innen der vermeintlich für den Unmut verantwortlichen Gruppe diese Meinung in einer persönlichen Begegnung zu verbalisieren. Die in den letzten Jahren sich zuspitzende Diskussion um Hass im Internet, die Manipulation von Meinungsbildung durch Falschmeldungen und Verleumdung bei gleichzeitiger Entgrenzung von globaler Kommunikation und damit das Aufeinandertreffen von unterschiedlichen Wertehaltungen darüber, was als Kritik akzeptabel oder als Beleidigung gilt, führt zu einigen Fragen, die uns in Zukunft juristisch, politisch, in sozialer Hinsicht und dadurch in jedem Fall auch als Herausforderung für die Bildung beschäftigen werden. Wie lassen sich Hassbotschaften von freier Meinungsäußerung (z.B. gegenüber Politiker*innen) unterscheiden und wie kann die Gesellschaft einen Umgang mit dieser Explosion von verbaler Gewalt durch die digitale Erweiterung des öffentlichen Raums finden? Wie können vulnerable Individuen vor Cybermobbing besser geschützt werden? Wie finden wir zu einem ähnlichen gemeinsamen Verhaltenskodex online, dem wir offenbar in persönlichen Begegnungen auf der Straße folgen – nämlich, dass wir uns selbst bei Differenzen nicht derart verletzen (verbal und physisch), wie es im Internet der Fall ist. Was Konflikte und Uneinigkeit im virtuellen Raum eskalieren lässt, wird durch die Technologie ermöglicht: dass sich Hasspostings und Verleumdungen in den Sozialen Medien rasch verbreiten, dass sie durch ihre Materialität (eine wiederholt abrufbare Dokumentation von Aussagen) nachhaltiger bestehen als ein einmal ausgesprochener Angriff und eben durch die wiederholte Konfrontation damit bzw. durch die Bestätigung durch andere intensive Verletzung der Betroffenen verursachen können. Nicht nur dort, aber vor allem bei GSRM1 (Thema meiner Dissertation) tragen solch intensive Angriffe dazu bei, dass sich Betroffene aufgrund ihres Geschlechts oder Sexualität ausgegrenzt fühlen, unter psychischen Belastungen leiden und in einigen Fällen, die auch immer wieder in den Medien berichtet werden, ihr Leben beenden. Dass das Internet allerdings nicht nur ein Ort ist, an dem (vielfach ungeahndete gewaltvolle) Übergriffe stattfinden, sondern auch Stärkung, Community und Ausbildung von Resilienz ermöglichen kann, habe ich in meiner Dissertation (Hofstätter, noch unveröffentlicht) weiterführend erläutert.

1 GSRM = Gender, Sexual, and Romantic Minorities als inklusive Alternativbezeichnung zu LGBTIQ*

Quellen:
APA (2017a). Grünen-Erfolg: Facebook muss Hasspostings weltweit löschen. In: derStandard.at. Wien, 8. Mai 2017. Online: http://derstandard.at/2000057174561/Gruene-erfolgreich-Facebook-muss-weltweit-loeschen [12.07.2017]
APA (2017b). EU setzt weiter auf freiwilliges Löschen von Hassbotschaften im Netz. In: derStandard.at. Wien, 7. Juli 2017. Online: http://derstandard.at/2000060946724/EU-setzt-weiter-auf-freiwilliges-Loeschen-von-Hassbotschaften-im-Netz [13.07.2017]
APA (2017c). Bundestag beschließt Gesetz gegen Hetze im Internet. In: derStandard.at. Wien, 30. Juni 2017. Online: http://derstandard.at/2000060582299-2000019877270/Deutscher-Bundestag-beschliesst-Gesetz-gegen-Hetze-im-Internet [12.07.2017]
Becker, Julia (2016). Verfahren im Fall Böhmermann: Merkel entschied ohne Prüfbericht. In: tagesschau.de. Hamburg, 18. April 2016. Online: https://www.tagesschau.de/inland/boehmermann-bericht-merkel-101.html [13.07.2017]
Beisel, Karoline Meta (2018). "Angriff auf die personale Würde". In Süddeutsche Zeitung. Online: http://www.sueddeutsche.de/medien/berufungsurteil-angriff-auf-die-personale-wuerde-1.3980623 [25.06.2018]
Böhmermann, Jan (2016). Schmähkritik. In: Neo Magazin Royale. ZDF, 31. März 2016. Transkript: Soboll, Dorothe (2016). Böhmermann vs. Erdogan: Wortlaut und Kontext des gelöschten Gedichts. In: Badische Zeitung. Freiburg, 12. April 2016. Online: http://www.badische-zeitung.de/deutschland-1/boehmermann-vs-erdogan-wortlaut-und-kontext-des-geloeschten-gedichts--120693256.html [13.7.2017]
Extra 3 (2016). Moderation: Christian Ehring. NDR, 17. März 2016 
Hofstätter, Birgit (noch unveröffentlicht). Medienpartizipation und queer politics. Alltägliches Medienhandeln als Beitrag zu öffentlichen Diskursen über Geschlecht und Sexualität. Impulse für die Medienbildung. Dissertation an der Alpen-Adria Universität Klagenfurt.
kna, afp & dpa (2017). Schmähkritik: Böhmermann-Gedicht großteils verboten. In: Badische Zeitung. Freiburg, 10. Februar 2017. Online: http://www.badische-zeitung.de/deutschland-1/schmaehkritik-boehmermann-gedicht-grossteils-verboten--133404541.html [13.07.2017]
Neo Magazin Royale (2016). Moderation: Jan Böhmermann. ZDF, 31. März 2016.
Siemens, Ansgar (2017). Erdogan legt wegen Böhmermann-Gedicht Berufung ein. In: Spiegel Online. Hamburg, 12. Juli 2017. Online: http://www.spiegel.de/kultur/tv/jan-boehmermann-recep-tayyip-erdogan-geht-in-berufung-gegen-schmaehgedicht-a-1157312.html [13.07.2017]
SZ.de, AP, Reuters &AFP (2016). "Erdoğan macht sich zum Gespött". In: SZ.de. München, 29. März 2016. http://www.sueddeutsche.de/politik/pressefreiheit-tuerkei-fordert-verbreitungsstop-fuer-deutsche-satire-1.2925579 [14.07.2017]
Thema Spezial: Hass im Internet (2017). ORF2, 10. Juli 2017.

Monday, March 9, 2015

Geschlecht, Medien und Technik-Lernen - Reflexion zu einer Lehrveranstaltung

Mittlerweile ist die Lehrveranstaltung Geschlecht, Medien und Techniklernen an der Alpen-Adria Universität Klagenfurt abgeschlossen und jene Videos, zu denen die Zustimmung für eine Veröffentlichung gegeben wurde, sind auf unsere Vimeo-Projektseite geladen. Die Seminararbeiten sind verfasst, abgegeben, durchgelesen und benotet, und wie jedes Semester stellen sich für die Lehrende* am Ende dieselben Fragen: Wo hätte ich stärker unterstützen müssen, wo sind die Schwächen und Informationslücken, wo Möglichkeiten für eine Verbesserung des Konzepts? Es ist immer wieder überraschend, wie viel Studierende in einem Semester lernen können; nicht unbedingt Faktenwissen - darum geht es bei diesem Seminar nicht - sondern sich auf eine Aufgabe einlassen und eine Lösung zu einer Problemstellung finden, mit der die meisten noch nie zuvor konfrontiert waren. Es geht um das 'informelle Lernen' (Thaler 2009), das Lernen außerhalb eines strukturierten Rahmens. Das didaktische Konzept für das Seminar lehnt sich an jenes an, das Anita Thaler und ich schon mehrere Semester in einer anderen Lehrveranstaltung verwendet haben. Darin sind gezielt Leerstellen, in denen die Studierenden selbst einen Weg finden müssen, die Aufgabe zu erfüllen. Sie erhalten Zugang zum didaktischen Konzept, in dem auch einige Hinweise und Hilfestellungen zu finden sind, aber irgendwie scheint es für viele der Studierenden für ihre Arbeit wenig Relevanz zu haben. Im Feedback und den Lernreflexionen wird zum Beispiel immer wieder kritisiert, dass bei Präsenzterminen nie gezeigt wird, wie ein Videoschnittprogramm funktioniert. Aber eben die selbständige Erarbeitung der Verwendung ist der Lernprozess, der im Mittelpunkt des Seminars steht und die Reflexion darüber stellt das Herzstück des Leistungsnachweises dar.
Dieses Semester kam allerdings eine weitere Hürde hinzu: die kritische Betrachtung von Medienprodukten hinsichtlich der Darstellung von Geschlecht und sexuellen Normen sowie die ebenso kritische Gestaltung von Remixe. Für viele Teilnehmer*innen dieses Seminars war es die erste Lehrveranstaltung mit 'Gender'-Bezug. Wie auch bei transFAIRmation galt es, sie zunächst für das Thema zu sensibilisieren. Dies geschah mit vier Texten, von denen einer einen Überblick über Strömungen der Frauen- und Geschlechterforschung geben sollte (um zu zeigen, wie vielfältig die Zugänge in diesem Feld sind und dass es nicht DEN Feminismus gibt), ein weiterer Text stellte eine kurze Einführung in die Idee heteronormativitäts-kritischer Medienpädagogik dar (also eine Medienpädagogik, die darauf aufmerksam macht, wie Heterosexualität als Norm des Begehrens über deren Dominanz medialer Narrative geschaffen und stabilisiert wird), der dritte Text zeichnete eine Untersuchung zu einer queeren Fanproduktion dar, in der schwule Nebencharaktere einer Seifenoper durch Remix zu den Hauptcharakteren einer Online-Serie wurden. Schließlich wurde auch in diesem Seminar wieder das didaktische Konzept als Text vorgelegt, um das Ziel des Semesters transparent zu machen. In einer Silent Discussion sollten die LV-Teilnehmenden eine Unterhaltung zu den Texten führen. Dazu wurde Papier im A3-Format ausgeteilt und schriftlich wie mündlich die Instruktion durchgegangen: Während 60 Minuten sollte nur schriftlich kommuniziert werden (also nicht gesprochen, bei Unklarheiten sollte nach eigenem ermessen gehandelt werden). Im rechten oberen Eck sollte jede Person ein Symbol zeichnen, an dem sie ihr Blatt danach wieder finden würde. Es sollte kein Name darauf stehen, um auf das Geschriebene zu fokussieren und nicht die Person im Hintergrund mit zu berücksichtigen. Zunächst sollte folgende Ausgangsfrage auf das Blatt übertragen werden: Mit dem Hintergrundwissen, das Sie aus den Texten erworben haben und aus Ihrer persönlichen Interpretation der Inhalte heraus, wie würden Sie als Pädagog*innen bzw. Lehrende heteronormativitätskritische Medienbildung gestalten? Zur Unterstützung wurde auch noch eine Hilfsfrage formuliert: Was wären Ziele dieser Bildungsintervention, oder wie müssten die Lehrmethoden angelegt sein, oder mit welchem Menschenbild/Verständnis von Geschlecht und Sexualität würden Sie arbeiten? Auf diese Frage sollte dann ein Absatz als Antwort formuliert werden. Als Zeichen, dass der Absatz fertig ist, sollte der Stift abgelegt werden. Sobald alle Stifte abgelegt waren, wurden die Arbeitsblätter so lange nach links weiter gereicht, bis ein Signal ertönte. Dann sollten die Studierenden jeweils das, was sie gerade in der Hand hielten, lesen und darauf in einem weiteren Absatz antworten. Es wäre also auf den Absatz davor Bezug zu nehmen.Sobald alle ihre Antwort geschrieben hatten, wiederholte sich der Vorgang - so oft, bis am Ende der Stunde der Wecker läutete. Zum Schluss sollten alle ihr Blatt anhand des zu Beginn gemalten Symbols wiedererkennen und an sich nehmen. Abschließend sollten die Studierenden das, sich auf ihrem Blatt angesammelt hat, durchlesen und einen abschließenden Kommentar verfassen. Danach wurde im Plenum über die Übung und die Inhalte gesprochen. 
Als eine Studierende die Übung verlassen musste, ersetzte ich sie, um den Fluss aufrecht zu erhalten und sah dadurch selbst eine Schwäche der Aufgabenstellung: Es kam kein Gespräch zustande. Ein Absatz stand unter dem anderen und der Bezug zwischen den nachfolgenden auf den ersten war nicht erkennbar. Ein paar LV-Teilnehmenden beschrieben eine ähnliche Erkenntnis in ihrer Lernreflexion. In der Abschlussdiskussion zur Methode wurde die Fragestellung als zu offen kritisiert, aber auch die relativ ungenaue Angabe zur Länge des Absatzes (vorgeschlagen wurde stattdessen, eine bestimmte Anzahl von Sätzen vorzugeben). Hinsichtlich der inhaltlichen Fragestellung heißt das für die Übung, dass ein Problem formuliert werden muss, auf das die folgenden Beiträge eingehen können. Es muss eine Frage oder These für eine konkrete Problemstellung aufgeworfen werden, sonst kann die Methode nicht richtig funktionieren.
Ein Schwierigkeit, die sich vor allem in diesem Semester gezeigt hat, ist die Gruppengröße. In vorangegangenen Semestern konnte die großzügige Aufnahmepraxis über Teamteaching gut bewältigt werden, doch angesichts der Lernintensität und der Menge an Projektgruppen (14 Gruppen mit inhaltlich teilweise völlig unterschiedlichen Vorhaben) war eine Anzahl von knapp 40 Teilnehmer*innen für eine Lehrkraft alleine zu viel. Die Spekulation mit Ausfällen von Studierenden  während des Semesters erwies sich als nicht zutreffend. Das mag ein Erfolg für das Seminar sein - eine Abschlussquote von 100 % ist selten - doch konnte ich Betreuung nicht in der Intensität gestalten, wie ich es geplant hatte. Entsprechend musste ich bei den Ergebnissen der Gruppenarbeiten gewisse Schwächen in der Schärfe der Videobotschaften in Kauf nehmen. Ein paar der Videos hätten sicherlich vor der Fertigstellung nochmals detaillierteres Feedback meinerseits erfordert, um so manche unbeabsichtigte Reproduktion von Stereotypen oder missverständlichen Inhalten zu vermeiden. Hier zeigt sich aber auch die überambitionierte Zielsetzung der Lehrveranstaltung bzw. von transFAIRmation: Es werden zwei Lernfelder zusammen gebracht (queer-feministische Kritik und eigenständige Mediengestaltung), die es nach einander zu bearbeiten gilt und nicht, wie in der Lehrveranstaltung, (fast) gleichzeitig. Aufgrund der eingeschränkten Zeitressourcen wurde die gemeinsame Medienanalyse, die bei der Umsetzung in der Schule einen eigenen Schwerpunkt ausmachte, bei der Umsetzung in der Lehrveranstaltung ausgelassen. Die dadurch entstandene Lücke war in der Remixgestaltung spürbar. Teilweise fiel es den Gruppen schwer, eine Absicht hinter dem geplanten Remix zu formulieren, teilweise gelang die Umsetzung der Idee nicht so wie beabsichtigt.
Die Lehrveranstaltung war also jedenfalls für mich als intensive Lernerfahrung, trotz aller Mängel und unerfüllter Ansprüche bei diesem ersten Durchgang ist das Konzept nach weiterer Überarbeitung sicherlich brauchbar, um vielschichtiges und tiefgehendes Lernen über Technik und die Gestaltungsmacht von Medienpartizipation zu ermöglichen.

Tuesday, November 25, 2014

Große Datenmengen teilen

Eine Herausforderung bei Gruppenarbeiten ist es, dass alle Beteiligten zu jeder Zeit dieselben Informationen bzw. die aktuellsten Version der gemeinsamen Arbeit haben sollten. Beim letzten Präsenz-Termin der Lehrveranstaltung ergab sich die Frage nach Möglichkeiten, große Datenmengen (und bei Medien-Dateien ist das der Fall) miteinander zu teilen. Einerseits gibt es Webseiten, auf die Dateien hochgeladen und über einen Link (der z.B. per Email versandt wird) wieder abgerufen werden können. Eine Liste mit fünf solcher Plattformen sind HIER zu finden. Diese sind allerdings nur bedingt hilfreich, nämlich nur wenn es sich um eine überschaubare Anzahl von Dateien handelt.

Für einen schnelleren und aktuelleren Austausch von vielen Dateien hat sich auch Dropbox bewährt - ein Service durch das alle Beteiligten auf denselben Ordner zugreifen können und jeweils die aktuellsten Versionen von Dateien austauschen können. Besonders wenn mehrere Mediendateien, wie beispielsweise für einen Remix verwendet, für alle zur Verfügung stehen sollen, kann dies die Zusammenarbeit wesentlich erleichtern.

Falls jemand noch weitere bewährte Möglichkeiten des Datenaustausches weiß, bitte in den Kommentaren unten ergänzen!


Thursday, November 20, 2014

South Park: Mr*s Garrison als Heteronormativitätskritik?



Eine Gruppe aus der Lehrveranstaltung widmet sich "South Park":
Im Zuge der LV „Geschlecht, Medien und Technik-Lernen” versuchen wir, die Darstellung von Garrison als queerer Charakter in South Park kritisch zu behandeln. Dieses Thema wird anhand eines Political Remix Videos präsentiert. Wir möchten die Entwicklung der verschiedenen sexuellen Neigungen bzw. geschlechtlichen Selbstzuordnungen der Figur „Mr. Garrison“ bzw „Mrs. Garrison“ nachzeichnen und damit darauf eingehen, wie sich eine Person im Laufe ihres Lebens ihren sexuellen Neigungen und geschlechtlichen Identitäten hingibt, auch wenn diese nicht den gesellschaftlichen Normen entsprechen könnten.
Durch das Neuentdecken und das Ausleben seiner sexuellen Neigung, sei diese nun homo- oder heterosexuell, wird der Charakter den wir behandeln immer in einem neuen Licht dargestellt. Seine Persönlichkeit und sein Auftreten verändern sich. Die Figuren in seinem Umfeld gehen auch anders mit der jeweiligen sexuellen Neigung bzw. Geschlechtsidentität um. In unserem Projekt spielen diese Figuren auch eine interessante Rolle. So wie im richtigen Leben stößt man hier auf Akzeptanz aber auch Intoleranz.
Zu Beginn der Serie ist der Charakter ein nicht geouteter Homosexueller, der versucht seine sexuellen Neigungen zu verstecken. Im Laufe der Serie durchläuft er mehrere physische und psychische Veränderungen. Er ist sich seiner homosexuellen Neigung durchaus bewusst, leugnet diese aber sehr lange, bis er sich outet. Ein entscheidender Moment im Leben des Mr. Garrison. Im weiteren Verlauf der Serie unterzieht er sich einer Geschlechtsumwandlung.
Wir versuchen darauf einzugehen, wie die anderen Charaktere in South Park auf die jeweiligen sexuellen Orientierungen bzw. geschlechtlichen Identitäten reagieren und die Unsicherheiten von Mr*s. Garrison zu veranschaulichen.
Die Schwierigkeit, die sich bei unserem Projekt stellt, ist, dass South Park auf einer tieferen Analyseebene zwar sehr gesellschaftskritisch ist und tabuisierte Themen aufgreift, diese allerdings oft in diskriminierender und teilweise auch überzogener und respektlos-lustiger Weise dargestellt werden. Dadurch könnte es schwer werden, eine wertschätzende Darstellung der Queer-Thematik herauszuarbeiten.

Wednesday, November 19, 2014

Prinzessinnen vs. Barney Stinson

Eine weitere Gruppe schreibt über ihr Vorhaben:
Unser Remix kritisiert die heteronormativen und patriarchalen Strukturen, die in Sitcoms als Normalitätsfolie vermittelt werden. Durch diese Banalisierung werden traditionelle Geschlechterrollen und Beziehungsmuster unreflektiert gelassen und so von Zuseher*innen reproduziert. Unsere Darstellung wendet gegen diese Position und möchte die Multidimensionalität von Beziehungskonzeptionen herausarbeiten. Das passiert durch die Gegenüberstellung von typisch männlich definierten Serienstereotypen und der passenden weiblichen Gegenspielerin. Als Paradebeispiel dient uns der Serienheld von "How I met your Mother", Barney Stinson. Dieser Charakter stellt am besten den verzerrten Blick der Filmindustrie auf das Objekt Frau dar. Die Gegenspielerinnen werden von Disneyprinzessinnen (Rapunzel, Anna aus „Frozen“, Mulan, Arielle, Tiana aus „Küss den Frosch“ und Belle aus „Die Schöne und das Biest“) verkörpert. Als Klischeeform der Prinzessin stellt sich jedoch eine freche emanzipierte Frau diesem Männlichkeitsbild entgegen. Durch diesen Stilbruch möchten wir Denkanstöße in Bezug auf die Geschlechterthematik und die repräsentativen Beziehungsmuster in Film und Fernsehen schaffen.

Der Schuh des Manitu


Eine andere Gruppe widmet sich der Darstellung von Homosexualität in Kinofilmen:
Wir haben uns für die Filme "Der Schuh des Manitu" & "Brokeback Mountain" entschieden und möchten mit diesen einen Remix produzieren.  
Unser Konzept ist es, die Unterschiede der homosexuellen Figuren in den beiden Filmen zu analysieren und wir wollen diese gegenüberstellen. Im Schuh des Manitu wird die homosexuelle Figur als eine Witzfigur dargestelllt und lächerlich gemacht. Im Film Brokeback Mountain hingegen werden die homosexuellen Figuren durch ein Drama inszeniert. Bei diesen beiden Filmen lassen sich hoffentlich auf kritische Weise Unterschiede in der Darstellung von homosexuellen Männern in Kinofilmen veranschaulichen. Und vielleicht können wir durch diesen Remix die Gesellschaft zu einer kritischen Perspektive auf die Darstellungen von Homosexualität in den Medien anregen. Wir werden versuchen einige passende Szenen gegenüber zustellen und es auch auf eine anregende Art zu präsentieren.

Die wahre Liebe des Barney Stinson

Dies Gruppe lässt für ihren Remix Charaktere aus unterschiedlichen Fernsehserien einander begegnen:
Im Rahmen der Lehrveranstaltung „Gender, Medien und Technik-Lernen“ machen wir ein Projekt, bei dessen Umsetzung wir uns für den kreativ-technologischen Zugang entschieden haben. Mit Hilfe dieses Zugangs wollen wir ein Political Remix Video aus den Serien „How I Met Your Mother“ und „The Big Bang Theory“ erstellen.
In der Serie „How I Met Your Mother“ wird Barney Stinson als Macho, Draufgänger und notorische Frauenheld beschrieben. In seiner Rolle ist er stehts perfekt gekleidet und von sich selbst überzeugt, jede Frau zu erobern. Barney ist dafür bekannt, dass er nur ein Abenteuer mit seinen sogenannten „Traumfrauen“ mit den Maßen 90-60-90 sucht.
Nie würde Amy Farrah Fowler in das typische Frauenbild von Barney Stinson passen. In der Serie „The Big Bang Theory“ wird Amy Farrah Fowler als nüchterne, schlagfertige, teils verrückte Wissenschaftlerin beschrieben, die sich nur aufgrund einer Abmachung mit ihrer Mutter, einmal im Jahr mit einem Mann trifft. Typisch für Amy ist auch, dass ihre Empathie nicht immer mit ihrer Umgebung kompatibel ist.
Durch die vermittelten Stereotypen in den verschiedenen Serien, würde ein Mann wie Barney Stinson nie eine Frau wie Amy Farrah Fowler beachten. Deshalb wollen wir mit unserem Remix diese vorgegebenen Klischees brechen und eine untypische Liebesbeziehung zwischen zwei verschiedenen Stereotypen entstehen lassen. Dieser Remix soll aufzeigen, dass die Gesellschaft uns noch viel zu oft wiederspiegelt, was uns in den Serien vorgezeigt wird. Die Liebe geht abseits von Klischees, Herkunft, Religion und sexueller Ausrichtung ihre Wege, ohne lang Fragen zu stellen.
Die für das Video benötigten Sequenzen werden wir mittels Schnittprogramm aus den zwei Serien herausschneiden und anhand eines neuen Drehbuches wieder zusammensetzen.